VDEK-Hörgeräte-Neuregelungen

Sieben Punkte, die HNO-Ärzte beachten sollten, wenn sie Patienten der Ersatzkassen Hörgeräte verschreiben
Eine „Frau-Doktor-Automate“ aus dem Novelty Automation in London, Ausschnitt

Heute erfüllen wir einen Leserwunsch: Matthias hat uns geschrieben. Er ist HNO-Arzt mit eigener Praxis und versteht die Neuregelungen der VDEK für Hörgeräte nicht – zumindest nicht genau. Für alle, die sich jetzt schon fragen, was VDEK ist… – Keine Sorge, ich erkläre hier alles. Warum die Neuregelungen für Hörgeräte gut sind, wenn man schlecht hört. Und vor allem, was HNO-Ärzte wie Matthias (und selbstverständlich auch HNO-Ärztinnen) beachten sollten, wenn sie Hörgeräte verordnen und ihr Patient VDEK-versichert ist.

Hörprobleme? Ärzte? Hörakustiker? Kassen? – die Basics

In diesem Absatz die absoluten Basics zum Thema, und wer die schon weiß, kann ja scrollen: Hörgeräte gibt es in Deutschland beim Hörakustiker und über die Krankenkassen; zumindest solide Basis-Hörgeräte werden komplett von der Kasse finanziert. Den ganzen Papierkram, der anfällt, wenn man Hörgeräte bekommt, erledigen die Hörakustiker mit den Kassen; man selbst muss sich darum nicht kümmern. Wichtig ist jedoch: Bevor Hörakustiker und Kasse das abwickeln können, muss man dem Hörakustiker ein Rezept vom HNO-Arzt bringen. Das muss richtig ausgefüllt sein.

Ist der Papierkram erledigt, bezahlt die Kasse den Hörakustiker für die Hörgeräte und für seine Arbeit. Der Hörakustiker muss die Geräte nicht nur an Mensch und Ohr anpassen, er muss sich auch später immer wieder kümmern. Auch daran denkt die Kasse, wenn sie Geld gibt. Wieviel Geld es für was gibt, ist in einem Vertrag geregelt. Den Vertrag machen Krankenkassen und Hörakustiker (bzw. die Bundesinnung der Hörakustiker, biha) unter sich aus. Und weil es verschiedene Kassen gibt und Dinge sich immer mal ändern, gibt es immer mal neue Verträge. Danach ergeben sich für alle erst einmal Fragen…

VDEK? Hörgeräte? Neuregelungen? – noch mehr Basics

VDEK heißt Verband der Ersatzkassen e.V., darunter können sich viele nichts vorstellen. Meist weiß man nur, ob man in der TK, der BARMER, der DAK-Gesundheit, der KKH, der hkk oder der HEK ist. Die haben ausgesprochen auch lange Namen. Wichtig ist hier nur: Alle diese Kassen sind VDEK. Wenn du (wie 28 Millionen andere) in einer davon versichert bist, betrifft dich das, was hier steht, und du kannst dich freuen – zumindest, wenn du Hörgeräte brauchst.

Illustration zu einem Blog-Artikel über VDEK-Hörgeräte-Neuregelungen, die am 1. Januar 2023 in Kraft traten

Nach den VDEK-Hörgeräte-Neuregelungen, die seit 1. Januar 2023 gelten, bekommst du jetzt sozusagen mehr gutes Hören. Die VDEK-Neuregelungen schreiben eine bessere technische Ausstattung der Hörgeräte vor: Auch Geräte, die ganz von der Kasse bezahlt werden, haben mindestens sechs Kanäle. Und sie haben immer eine adaptive Funktionalität. Das heißt, die Hörgeräte können Signale aus verschiedenen Richtungen besser unterscheiden. Sie können Störsignale besser erkennen und herausfiltern. Vor allem Sprache wird dadurch noch leichter verstanden; man muss sich beim Zuhören weniger anstrengen. Ferner gibt es neue Bestimmungen für diejenigen, die sehr starke Hörgeräte brauchen. Und wenn man schon sechs Jahre Hörgeräte hat aber noch keine neuen bekommt, dann bezahlt die Kasse nun für jedes weitere Jahr eine Pauschale für Service und Reparaturen.

Hinzu kommt, dass die Neuregelungen noch mehr Transparenz schaffen: Wofür zahlt man privat, wenn man Hörgeräte will, die die Kasse nicht voll übernimmt? Es gibt eine Menge Vorteile, für die man draufzahlen muss – beim Fernsehen, bei der Kopplung mit dem Handy, wenn man Akkus will usw. Ein guter Hörakustiker wird dir die Vorteile immer erklären. Vor allem gibt er dir die Möglichkeit, diese Vorteile im Alltag auszuprobieren – bevor du dich entscheidest.

VDEK-Hörgeräte-Neuregelungen – Checkliste für HNO-Ärzte

Genug Basics. Nun die versprochenen sieben Punkte zu den VDEK-Hörgeräte-Neuregelungen – für Matthias und alle HNOs. (Wer sonst noch weiterlesen will, kriegt einen Eindruck davon, woran Ohrenärzte und Hörakustiker alles denken müssen, damit es keine Hudelei mit den Kassen gibt…). Also, lieber Matthias:

1. Beachte die 28 Tage Frist!

Wenn du ein Rezept für neue Hörgeräte ausstellst, muss es innerhalb von 28 Tagen beim Hörakustiker sein. Dein Patient bzw. deine Patientin sollten daher keine Zeit verlieren. (Sie haben also nicht mehr sechs Monate Zeit. Die Regelung der VDEK ist jetzt so, wie sie zuvor schon bei der DAK war.)

2. Ausgefüllte Verordnung oder Anhang mit Stempel

Die Verordnung für die Hörgeräte muss entweder komplett ausgefüllt sein, oder du machst einen Anhang und stempelst ihn. Wichtig ist für die Kasse, dass sie das Tonaudiogramm und das Sprachaudiogramm von dir bekommt, denn das Audiogramm vom Hörakustiker zählt für sie nicht. Vermeiden solltest du, einfach in die Felder der Verordnung zu stempeln. Bei Anhängen hingegen unbedingt stempeln!!! Sonst ist die Verordnung für die Kasse nicht gültig.

3. Keine automatische Nachversorgung nach sechs Jahren

Bis 2022 war es so: Hatte jemand schon sechs Jahre Hörgeräte, konnte derjenige zum Hörakustiker gehen und automatisch neue Geräte bekommen; manchmal holte er sich dafür von dir eine Verordnung, manchmal brauchte man die nicht. Doch das ist jetzt komplett anders.

Eine „Frau-Doktor-Automate“ aus dem Novelty Automation in London, Ausschnitt

Wenn man die Hörgeräte jetzt sieben, acht oder neun Jahre trägt, bekommt der Hörakustiker für jedes Jahr eine neue Reparaturpauschale. Und es gibt genau drei Gründe, warum man über die Kasse neue Hörgeräte bekommen kann. Die drei Gründe stehen in den nächsten drei Punkten. Wichtig ist: Wenn du „Hörgerät veraltet“ oder etwas ähnliches auf die Verordnung schreibst, trifft das keinen der Punkte. Dein Patient bekommt dann keine neuen Hörgeräte.

4. Neue Hörgeräte, wenn die alten weg sind

Hat dein Patient die Geräte verloren, bekommt er nach sechs Jahren neue über die Kasse. Wenn er zwei Geräte braucht und nur eins weg ist, bekommt er nach sechs Jahren trotzdem zwei neue. (Innerhalb der sechs Jahre gibt es dann in der Regel nur ein neues Gerät.) Auf deiner Verordnung vermerkst du z. B. „Hörgerät verloren“.

5. Neue Hörgeräte, wenn die alten nicht zu reparieren sind

Ist das Hörgerät kaputt und kann nicht mehr repariert werden, gibt es nach sechs Jahren ebenfalls neue. Nicht repariert werden kann ein Gerät, wenn es komplett kaputt ist oder der Hersteller gar keinen Service mehr anbietet. Trifft das zu, weisen es Hörakustiker und Hersteller nach. Auf deiner Verordnung vermerkst du einfach „Hörgerät defekt“.

6. Neue Hörgeräte, wenn die alten nicht mehr ausreichen

Dritte Möglichkeit, über die Kasse neue Hörgeräte zu bekommen, ist die, dass die alte Technik nicht mehr ausreicht. Das kann sein, wenn sich das Gehör weiter verschlechtert hat. Dann muss nachgewiesen werden, dass man mit neuen Geräten wirklich besser versteht. D. h. der Hörakustiker muss einen Hörtest machen, die alten Hörgeräte neu einstellen usw. Mit der neuen Technik sollte dein Patient mindestens fünf Prozent besser hören. Wie gesagt, der Hörakustiker kümmert sich darum. Du solltest auf deiner Verordnung vermerken „Hörvermögen hat sich verschlechtert“.

Eine „Frau-Doktor-Automate“ aus dem Novelty Automation in London, Ausschnitt

7. Ablehnungen nicht in jedem Fall hinnehmen!

Klar ist, dass die Kassen keine Hörgeräte bezahlen können, wenn es der Vertrag gar nicht vorsieht; wozu gibt es Verträge?! Doch manchmal passieren auch Fehler, sogar bei Krankenkassen. Und was, wenn es schon eine Ablehnung gab, weil du die Checkliste hier noch nicht kanntest und deine Verordnung falsch ausgefüllt war?! In einem solchen Fall schreib einen Widerspruch. Schließlich geht es nicht um irgendwas, sondern ums gute Hören. Und das liegt diesem Blog besonders am Herzen.

Illustration zu einem Blog-Artikel über VDEK-Hörgeräte-Neuregelungen, die am 1. Januar 2023 in Kraft traten

PS: Unsere Fotos zum Beitrag über die VDEK-Hörgeräte-Neuregelungen zeigen eine Frau-Doktor-Automate aus dem Novelty Automation, einem kleinen Automaten-Museum in der Princeton Street in London. Die Automate kümmert sich dort eigentlich nicht um Ohren, sondern um Füße. Wer mal in dieses Museum kommt und es selbst ausprobieren will: Es ist alles ungefähr so creepy, wie es aussieht, und hat mit den VDEK-Hörgeräte-Neuregelungen zum Glück nichts zu tun.

Illustration zu einem Blog-Artikel über VDEK-Hörgeräte-Neuregelungen, die am 1. Januar 2023 in Kraft traten

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4 Kommentare. Leave new

  • Thomas Reiniger
    29. Oktober 2023 20:06

    Ich bin eine Rentnerin und habe seit einigen Jahren Hörgeräte. Ich war mit meinen alten Geräten nicht mehr zufrieden, weil ich oft schlecht verstanden habe. Ich bin zu meinem HNO-Arzt gegangen und er hat mir ein Rezept für neue Hörgeräte ausgestellt. Er hat mir erklärt, dass ich innerhalb von 28 Tagen zum Hörakustiker gehen muss, damit die Kasse die Kosten übernimmt1. Ich bin froh, dass er mir das gesagt hat, denn sonst hätte ich vielleicht zu lange gewartet.
    https://wimmeroptik.at/%C3%BCber-uns/thalgau

    Antworten
    • MSchaarschmidt
      30. Oktober 2023 12:48

      Hallo und danke für den Kommentar. Dann wünsche ich viel Erfolg mit dem neuen Hörgerät! Beste Grüße! M.

  • Alex Finsterbusch
    28. November 2023 21:54

    Als jemand, der seit vielen Jahren Hörgeräte trägt, bin ich dankbar für die neuen VDEK-Neuregelungen. Es war eine große Erleichterung zu erfahren, dass ich Anspruch auf modernere Hörgeräte hatte, die mein Hörvermögen deutlich verbesserten. Die neuen Geräte haben mir geholfen, besser zu kommunizieren und am sozialen Leben teilzunehmen. Ich finde es wichtig, dass solche Regelungen existieren, um Menschen wie mir zu helfen, mit technologischen Fortschritten Schritt zu halten. Die Tatsache, dass die Kosten von der Kasse übernommen wurden, war eine große Hilfe.
    Hier habe ich auch noch mehr darüber gelesen https://hoerstudio-froehling.de/modernste-hoersysteme/

    Antworten
    • MSchaarschmidt
      30. November 2023 20:33

      Vielen Dank für deinen Kommentar, Alex! Immer wieder schön zu hören, dass jemand mit seiner Hörtechnik zufrieden ist. Viele Grüße, Martin

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