Dose mit Kohlebröseln

Thomas Alva Edison und das Kohlemikrofon, Technik-Geschichte Teil 5
Der etwa 15 Jahre alte Thomas Alva Edison und das Kohlemikrofon von einem Hörgerät

Heute ist es normal, dass jeder jeden jederzeit anrufen und jederzeit jede Musik hören kann. Zur bunten Multimedia-Welt gehören selbstverständlich Telefonie, Tonaufzeichnung und Tonwiedergabe, und alles geht immer noch besser. Angefangen hat das vor 150 Jahren mit Erfindern wie Bell – um den es hier schon ging – und mit Edison, also mit den Urgroßvätern der Technik, die heute jeder hat: Handy, Audio usw. Erstaunlich ist, dass sich die gleichen alten Erfinder auch mit Schwerhörigkeit, Hörgeräten usw. beschäftigten. Und dass sie selbst unmittelbar mit Hörverlust zu tun hatten. Das gilt für den Taubstummenlehrer Alexander Graham Bell und noch mehr für Thomas Alva Edison.

Edison: Vom „Hohlkopf“ zum Erfinder

Thomas Alva Edison war schon als Kind schwerhörig. Er soll sein Gehör durch Scharlach und entzündete Ohren verloren haben. Und er soll als 15jähriger eine Ohrfeige von einem Lokführer bekommen haben, weil er durch ein Experiment einen Gepäckwagen explodieren ließ.

Beides hat seinen Ohren geschadet. Und die Schwerhörigkeit hat sein Leben von Anfang an geprägt: In der Schule hielten die Lehrer den kleinen Edison für schwierig und dumm. Ein Lehrer soll ihn „Hohlkopf“ genannt haben. Seine Mitschüler mobbten ihn. Und Edison ging deshalb nur ein paar Monate zur Schule.

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Zum Glück hatte Thomas Alva Edison eine Mutter, die auch Lehrerin war und ihm alles beibrachte. Er las viel, interessierte sich für Physik und Chemie und begann mit Experimenten. Die schlechten Erfahrungen mit seinen Mitmenschen sollen ihn motiviert haben, immer neue Dinge zu erfinden, die die Welt tatsächlich veränderten: Mit seinem Phonographen konnte man erstmals Töne aufzeichnen und Musik hören, ohne Musikanten zu haben. Und man konnte Licht machen, ohne eine Flamme zu haben, nachdem Thomas Alva Edison die Glühlampe erfunden hatte. Er hat auch das Megafon und einen Projektor für Tonfilm erfunden. Und Edison hat das Mikrofon erfunden.

Wie ein Kohlemikrofon funktioniert

Dass es einen Zusammenhang zwischen Telefon und Hörgerät gibt, hatten wir hier schon geschrieben. Es ging darum, Schallschwingungen in Spannungsschwankungen und wieder zurück in Schallschwingungen zu verwandeln – entweder um den Schall von einem Ort zum anderen zu bekommen (Telefon), oder um den Schall lauter zu bekommen (Hörgerät).

Ein entscheidender Punkt ist dabei ein Mikrofon, das aus Schallschwingungen Spannungsschwankungen macht. Hier kommt Edison ins Spiel: Er nahm sich eine flache Dose und machte auf einer Seite Löcher hinein, damit der Schall in die Dose konnte. Dann legte er hinter die Löcher eine dünne Membran. Die Rückseite der Dose blieb ohne Löcher. Jetzt kam noch Strom dazu – also eine Batterie. Membran und Rückseite waren Elektrode und Gegenelektrode.

Der etwa 15 Jahre alte Thomas Alva Edison und das Kohlemikrofon von einem Hörgerät

Dann fehlte noch etwas: Wenn die Dose leer ist, kann mit dem Strom nichts passieren. Deshalb füllte Edison die Dose mit kleinen Kohlebröseln bzw. Granulat. Denn Kohle kann Strom leiten. Und je dichter die Kohle ist, desto besser leitet sie den Strom. Aber Kohlebrösel (bzw. Granulat) sind ja ein in sich bewegliches Zeug, daher nie ganz dicht, immer nur mehr oder weniger. Je nachdem, wie die Schallschwingungen durch die Löcher der Dose drangen und auf die Membran trafen, verrutschten in der Dose die Kohlebrösel. Damit veränderte sich ihre Dichte (bzw. ihr Widerstand), und damit schwankte die Spannung. So wurden aus den Schallschwingungen Spannungsschwankungen. Dann musste man die nur noch durch einen Draht zu einem Hörer schicken. Und der Hörer machte aus den Spannungsschwankungen wieder Schallschwingungen.

Die Grenzen von Kohlemikrofonen

Die Qualität der Kohlemikrofone war nicht so toll. Und sie waren sehr empfindlich. Aber mit der Batterie konnte man die Schallschwingungen verstärken. Man nahm die Mikrofone erst fürs Telefon. In Kohlemikrofonen für Hörgeräte war die Art der Kohlebrösel etwas anders als in Mikrofonen für Telefone; doch das führt hier zu weit.

Kohlemikrofone waren auch in Hörgeräten nicht toll. Deshalb benutzten die Leute weiter Hörrohre, Hörgeräte setzten sich erst nach und nach durch. Hörgeräte mit Kohlemikrofonen halfen höchstens bei leichter bis mittlerer Schwerhörigkeit. Die Frequenzen, die die Mikrofone verstärkten, waren sehr begrenzt. Und durch die Kohlebrösel auf der Membran klang alles kratzig.

Um die Power des Schalls noch zu erhöhen, nahm man bei Hörgeräten einfach mehrere Kohlemikrofone, um mehr Verstärkung zu bekommen. Bis zu vier Mikrofone wurden parallelgeschaltet.

Warum Edison kein Hörgerät erfand

Thomas Alva Edison war zwar irgendwann fast taub. Dennoch hat er sich kein Hörgerät erfunden und auch keins benutzt. Aber er hatte die Idee, einen Apparat zu bauen, mit dem Schwerhörige hören können. 1878 hat er in einem Interview mit einer Zeitung davon erzählt. Dann sollen 600 Leser der Zeitung Briefe geschrieben haben, in denen stand, dass Edison den Apparat bitte bald bauen soll.

Illustration zum Artikel „Dose mit Kohlebröseln - Thomas Alva Edison und das Kohlemikrofon, Technik-Geschichte Teil 5“ auf die-hörgräte.de

Edison war auch Geschäftsmann, später auch Millionär. Die große Nachfrage nach dem Apparat sprach für ein gutes Geschäft. Daher gab Edison zwei seiner Mitarbeiter den Auftrag, den Apparat zu entwickeln. Doch dann hat er das gestoppt, weil er dachte, der Apparat könnte gefährlich sein und eine Schwerhörigkeit noch verschlimmern.

Außerdem wird erzählt, dass Edison selbst gar nicht besser hören wollte, als er es konnte. Ohne Gehör konnte er sich besser konzentrieren, und viele Menschen wollte er ohnehin nicht um sich haben. Er wollte lieber arbeiten.

Der etwa 15 Jahre alte Thomas Alva Edison und das Kohlemikrofon von einem Hörgerät

PS 1: Die Fotos zeigen den etwa 15 Jahre alten Thomas Alva Edison und das Kohlemikrofon von einem Hörgerät.

PS 2: Auch für diesen Artikel habe ich u. a. das Buch „Die Hand am Ohr. Eine kleine Geschichte der Hörakustik“ von Rainer Hüls genutzt.


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