Ohren-Schule

Ein Besuch in der Akademie für Hörakustik in Lübeck, Ausbildungsserie Teil 3
Akademie für Hörakustik von außen

Was mit Ohren lernen? Und zwar nicht irgendwo, sondern an einer Akademie für Hörakustik? – In den ersten beiden Beiträgen dieser „Ausbildungsserie“ ging es darum, wie man auf die Idee kommt, Hörakustiker*in zu werden, und was man im Hörakustikgeschäft lernt, wenn man es dann tatsächlich wird. Und wir hatten erklärt, dass die Ausbildung eine duale Ausbildung ist.

„Zum Beginn ist man erstmal im Betrieb, also die meiste Zeit im Fachgeschäft“, hatte Tessa, die „Azubine“ von Hörakustik Mustermann erklärt. „Und die überbetriebliche Ausbildung ist dann in der Berufsschule, also in der Akademie für Hörakustik in Lübeck. Dort ist man dann für Unterrichtsblöcke. Man lernt viel Theorie, aber auch Handwerk. Die Blöcke gehen jeweils 4 bis 5 Wochen. Und einen solchen Block hat man im Ausbildungsjahr drei Mal. Nach der Hälfte der Ausbildungszeit gibt es hier auch die erste Prüfung, und am Ende die Gesellenprüfung.“

Akademie für Hörakustik von oben

Wenn Hörakustiker*innen von ihrer Akademie sprechen, dann meinen sie immer diese eine, die Akademie für Hörakustik (aha) in Lübeck, zu der die bundesoffene Landesberufsschule gehört. In Deutschland gibt es heute ungefähr 6.400 Hörakustik-Fachgeschäfte, in denen mehr als 15.000 Hörakustiker*innen arbeiten, und ungefähr alle von ihnen haben in der Akademie gelernt – irgendwann seit 1972, denn so lange gibt es die Akademie schon. (Ich habe die Akademie auch besucht, aber nur für einen Tag für diesen Blog-Artikel.)

Lübecker Hauptbahnhof

Wenn man früher über die Akademie hinwegfolg – also als Vogel zum Beispiel, dann konnte man ein Gebäude in der Form eines Ohres sehen. Heute hingegen sieht so ein Vogel ein ziemlich großes Areal, auf dem eines der Gebäude immer noch die Form eines Ohres hat. Die Akademie ist immer weiter gewachsen, weil immer mehr Kapazitäten benötigt wurden. Das hat mit der Hörakustiker-Ausbildung zu tun.

Statistiken und Betten

Als man 1972 mit der Ausbildung begann, gab es zwölf Auszubildende. Jetzt sind es über 3.000 angehende Hörakustiker*innen; also pro Jahrgang über 1.000. Es gibt in jedem zweiten Hörakustikgeschäft in Deutschland eine(n) Azubi. Und jeder fünfte Mensch, der in der Hörakustik tätig ist, lernt diesen Beruf erst noch; in der sonstigen Wirtschaft ist im Schnitt nur jeder 20. noch in Ausbildung.

Das war jetzt genug Statistik. Die Zahlen zeigen aber, dass Hörakustik jede Menge Nachwuchs hat (und braucht). Und sie erklären auch, warum die Akademie immer noch mehr Gebäude bekommt. Vor allem braucht man Unterkünfte für Tausende von Azubis. Alle angehenden Hörakustiker*innen aus ganz Deutschland müssen dort untergebracht und verpflegt werden. Wer einen Ausbildungsvertrag hat, der wird auch untergebracht. Deshalb gibt es auf dem Akademie-Gelände große Wohn- bzw. Boardinghäuser. Die haben inzwischen solche Bettenkapazitäten, dass die Akademie für Hörakustik zu den zehn größten Hotels Deutschlands gehört. (Es gibt sogar mehr Betten als im Europa-Park in den Rust.)

Illustration zum Beitrag über die Akademie für Hörakustik in Lübeck auf die-hörgräte.de

Das klingt nach sehr viel und sehr groß. Aber so ganz stimmt das auch wieder nicht. Wer in Lübeck Hörakustik lernt, der schwimmt nicht in einem Meer von anderen Hörakustikern, weil sich alles übers Jahr verteilt. Und wer in den mehrwöchigen Blöcken lernt, ist in einer Klasse, die in den drei Jahren so zusammenbleibt. Für die praktischen Trainings wird die Klasse noch geteilt. Es bleibt also alles recht überschaubar; darüber werden Tessa und Max noch berichten.

Hör-Wissen konzentriert

Dass alle ihr Handwerk in derselben Schule lernen, ist was Besonderes. Man hat einen Ort, an dem das gesamte Wissen gesammelt ist, und alle kriegen was davon ab. Jeder lernt die gleichen Standards und kann sie später weitergeben. Die mehr als 80 Lehrkräfte an der Berufsschule haben zumeist auch hier gelernt. Manche sind fest als Dozenten tätig, andere arbeiten mehr im Hörakustikgeschäft. Die Standards werden natürlich weiterentwickelt. Es ist ein System, das für sehr hohes Niveau in der Ausbildung sorgt. Das Niveau ist so hoch, dass Besucher aus der ganzen Welt zur Akademie für Hörakustik kommen, um es sich anzusehen.

Neben der Berufsschule gehören noch einige andere Bereiche zur Akademie für Hörakustik. Es finden Kurse statt, in denen sich Hörakustiker weiterbilden und spezialisieren können. Und es gibt eine Meisterschule, an der Hörakustiker-Gesell*innen zu Hörakustiker-Meister*innen werden. (Meisterschulen gibt es mehrere in Deutschland.)

Gefahren und Meister

Dazu muss man wissen, dass es im Hörakustiker-Handwerk strenge Regeln und Vorschriften gibt. Fehler sind menschlich und können passieren. Aber wenn Handwerker Fehler machen, hat das meist Konsequenzen. Wenn Gesundheitshandwerker Fehler machen, sind diese Konsequenzen oft ungesund. Hörakustiker spritzen ihren Kunden z. B. Silikon in die Ohren. Sie arbeiten mit Batterien, die direkt am Schädel und nah am Gehirn sitzen. Und sie verstärken Schall, der ins Ohr geht; und wenn man den Schall zum Beispiel zu sehr verstärkt…

Akademie für Hörakustik von innen

Man nennt das Hörakustiker-Handwerk deshalb auch „gefahrengeneigtes Handwerk“. Zu den strengen Regeln gehört z. B., dass in jedem Hörakustikgeschäft ein Meister sein muss, der auf alles ein Auge hat.

Hörgeräte-Institut und Museum

Außerdem ist auf dem Gelände der Akademie für Hörakustik das Deutsche Hörgeräte Institut (DHI) untergebracht. Seine Aufgabe ist, alle neuen Hörgeräte und das Zubehör zu testen und für den deutschen Markt zuzulassen. Die Tests sind wichtig für die Sicherheit und für die Krankenkassen. Die Kassen bezahlen nur dann für die Hörgeräte, wenn diese nachweislich bestimmte Anforderungen erfüllen. Also wird alles gemessen und nachgewiesen. Damit niemand an einem Hörgerät einen Stromschlag bekommt oder sonst was.

Sogar ein kleines Museum mit Hörgeräten, Hörrohren und anderen alten Hörhilfen gibt es in der Akademie für Hörakustik – dazu später mal mehr. Gleich neben der Akademie befinden sich noch die Fachhochschule und die Universität. Mit denen arbeitet die Akademie in zwei Studiengängen zusammen – im Bachelor-Studiengang Hörakustik und im Masterstudiengang Hörakustik und audiologische Technik. Der Bachelor ist ausschließlich für Gesellen und Gesellinnen der Hörakustik, die sich nach der Ausbildung in Richtung Wissenschaft weiterentwickeln wollen. Zu dem, was man nach der Hörakustiker-Ausbildung machen kann, folgt ebenfalls noch ein Beitrag.

Illustration zum Beitrag über die Akademie für Hörakustik in Lübeck auf die-hörgräte.de

PS 1: Danke an die freundlichen Mitarbeiter der Akademie und an Herrn Baschab von der Bundesinnung für Hörakustik (biha), die mir den Besuch in der Akademie für Hörakustik für die Recherche ermöglicht haben!

PS 2: Die Fotos zum Beitrag über die Akademie für Hörakustik in Lübeck habe ich natürlich in der Akademie für Hörakustik gemacht. Sie zeigen: ein Schild am Lübecker Hauptbahnhof, die Akademie für Hörakustik von außen und von innen und von oben. Beim Innenfoto sieht man ein Gemälde mit Dr. Werner Pistor, der in den 60er Jahren dafür sorgte, dass das Hörakustiker-Handwerk entstand und die Akademie gebaut wurde. (Es gibt sogar ein altes Foto, auf dem er auf einer Planierraupe sitzt und über eine Wiese fährt – genau an der Stelle, wo heute die Akademie für Hörakustik steht.)


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