Irgendwas mit Ohren…

Über den Berufswunsch Hörakustiker*in, Ausbildungsserie Teil 1
Illustration zu einem Beitrag über den Berufswunsch Hörakustiker*in auf die-hörgräte.de

Berufswunsch Hörakustiker? – Was Hörakustiker*innen machen und was sie mit Gespenstern zu tun haben, wurde auf diesem Blog bereits abgehandelt. Thema in diesem und ein paar weiteren Beiträgen soll sein, wie man Hörakustiker*in wird. Es beginnt mit der Frage, wie man überhaupt auf die Idee kommt, Hörakustiker zu werden – bzw. Hörgeräteakustiker (denn so hieß der Beruf bis vor ein paar Jahren).

Über Berufswünsche und Ohren

Dass man Automechaniker*in, Tierpfleger*in oder Friseur*in wird, weil man Autos, Tiere, Frisuren mag, ist nachvollziehbar. Solche Vorlieben fangen ja oft früh an. Aber wer sagt sich in jungen Jahren: Yep, Ohren, Hörgeräte, genau mein Ding!?

Denkbar wäre natürlich, dass man den Berufswunsch Hörakustiker hat, weil man jemanden kennt, der einem so was nahelegt – zum Beispiel Eltern, die Hörakustiker sind. Oder dass man selbst von früh an schlecht hört, mit Hörtechnik lebt und bei Hörakustikern ein und aus geht. Variante eins spare ich mir mal, und zu Variante 2 komme ich noch. Festhalten lässt sich erstmal: Kinder wollen vielleicht Pilotin, Profi-Fußballer, Prinzessin, YouTuber werden, aber nicht Hörakustiker. Seit Jahren bin ich auf der IFA in Berlin (die in diesem Jahr leider ausgefallen ist), und wir haben dort zich Schulklassen den Beruf Hörakustiker*in vorgestellt. So gut wie niemand in diesen Klassen kannte den Beruf vorher überhaupt.

Dennoch finden junge Leute zum Berufswunsch Hörakustiker. Sogar immer mehr. Und das macht auch Sinn. Also, wenn ich jetzt jung wäre und bereits wüsste, dass es Hörakustiker gibt…

Was spricht für den Berufswunsch Hörakustiker?

Wer einen Ausbildungsplatz sucht und vielleicht noch nicht recht weiß, was er machen soll, wer Abitur hat oder auch nicht, in Deutsch und Naturwissenschaften vielleicht nicht der Klassenbeste, aber doch ganz gut ist, Computer und Technik spannend, aber nur Technik ohne Menschen etwas langweilig findet, wer ganz gerne mal mit Menschen redet, zum Beispiel auch mit älteren Menschen, und wer Abwechslung wichtig findet und handwerklich nicht ganz ungeschickt ist und gerne was machen will, was anderen richtig hilft… – Also, es gibt eine Menge Gründe, warum der Berufswunsch Hörakustiker zu jemandem passen kann.

Illustration zu einem Beitrag über den Berufswunsch Hörakustiker*in auf die-hörgräte.de

Der Beruf ist komplex. Und man lernt eine Menge Dinge, die wir hier noch vorstellen werden, hat später einen abwechslungsreichen Job und viele Perspektiven. Auch dazu später, und jetzt nur so viel: Im Kern geht es darum, dass man Mensch und Technik zusammenbringt – und zwar so perfekt, wie es irgendwie geht. Als wären beide ein ganzes, damit sie – also Mensch und Technik – zusammen gut hören und gut leben. Das ist keine Kleinigkeit. Denn das Verhältnis von Mensch und Technik geht beim besseren Hören noch ein ganzes Stück weiter als bei nahezu jedem anderen Verhältnis zwischen Mensch und Technik.

Für die Artikel-Serie zum Thema Hörakustiker-Ausbildung habe ich mich mit Tessa und Max unterhalten, die gerade Hörakustiker werden. (Eigentlich heißen Tessa und Max anders und sie sind auch mehr als zwei. In das, was sie erzählen, sind Dinge eingeflossen, die mir verschiedene Hörakustiker-Azubis erzählt haben.) Tessa und Max machen ihre Ausbildung gerade bei Hörakustik Mustermann. (Ich schreibe sehr oft Artikel für Hörakustik Mustermann. Die kann dann jeder Hörakustik-Betrieb nehmen. Er muss nur dran denken, für Mustermann den richtigen Namen einzusetzen.)

Dass Max mit der Hörakustiker-Ausbildung anfing, war purer Zufall. Irgendwo hatte er eine Annonce gelesen: „Als ich eine Ausbildungsstelle gesucht habe, wusste ich noch gar nicht, wo es hingehen soll. Ich hab mich ein bisschen informiert, was es außer Bürokaufmann und solchen Sachen, die jeder kennt, noch so gibt. Ich hab mir durchgelesen, was ein Hörakustiker so macht, und dachte: Hey, hört sich eigentlich gut an. Also, dass man sich wirklich mit Menschen beschäftigt, nicht nur so oberflächlich. Dass es aber auch viel Technik gibt, einfach so eine Mischung, zum Beispiel auch Psychologie.“

Exponat aus dem Thorvaldsens Museum in Kopenhagen (Ausschnitt)

Bei Tessa lief es nicht viel anders: „In der Klasse hatte jeder eine Ausbildungsstelle gesucht. Ich hab verschiedene Praktika gemacht. Und ich hab nur bei uns in der Stadt gesucht, weil ich auch in der Nähe meiner Eltern bleiben wollte. Dass ich zu Hörakustik Mustermann kam, war eher Zufall. Ich fand diese Verbindung klasse – Umgang mit Menschen, Handwerk, Technik, auch mal so Organisatorisches, Büroarbeit. Außerdem war die Atmosphäre sehr schön, fast familiär. Ich hab mich nach dem Praktikum beworben und gleich einen Ausbildungsvertrag bekommen.“

Berufswunsch Hörakustiker: Du und die Hörgeräte?

„Meine beiden Großmütter hatten Hörgeräte und mein Onkel hat auch welche“, erinnert sich Tessa. „Das waren aber absolut die einzigen Berührungspunkte, die ich vorher mit Hörgeräten hatte. Und das war sicher nichts, wo ich damals viel drüber nachgedacht hab. Bei einer Oma kann ich mich erinnern, dass das immer ein Problem war. Sie hat ihre Geräte nie reingesetzt. Dabei war es extrem nervig, sich mit ihr zu unterhalten, weil sie oft nicht verstand. Trotzdem hat sie immer behauptet, dass sie die Dinger nicht braucht. Natürlich hatten die Geräte vor zehn, 15 Jahren auch noch einen anderen Stand als heute. Und es ist immer die Frage, wie gut die Technik zu jemandem passt. Das ist ja sozusagen mein Job. Vom Beruf Hörakustiker habe ich erst gehört, als ich nach einer Ausbildung gesucht habe.“

Bei Max ist das mit den frühen Hörgeräte-Erinnerungen ziemlich ähnlich: „Meine Oma und mein Opa hatten Hörgeräte. Sie waren aber eher unzufrieden. Ich wusste nicht, ob das an der Technik liegt oder an meinen Großeltern oder… Ansonsten war das Neuland für mich. Und Hörgeräte haben mich ungefähr so interessiert wie Heizdecken oder Zahnprothesen. Also ehrlich null.“

Berufswunsch Hörakustiker? – die falschen Vorstellungen

Sind die Vorstellungen von diesem Beruf – wenn man überhaupt welche hat – oft auch noch falsch? – „Ich denke schon, dass viele Leute immer noch falsche Vorstellungen von Hörgeräten haben“, so Tessa. „Zum einen denken viele noch an die alten, großen, grundsätzlich fleischfarbenen Dinger, die man heute höchstens noch auf dem Flohmarkt kaufen könnte. Und zum anderen ist es Quatsch, dass nur sehr alte Leute Hörgeräte brauchen. Es gibt ja auch Kinder, die welche brauchen. Im Schnitt sind die Kunden schon heute jünger, und das wird ja in Zukunft noch mehr.“

Exponat aus dem Thorvaldsens Museum in Kopenhagen (Ausschnitt)

Eine andere falsche Vorstellung, die Tessa anfangs hatte: „Ich dachte nicht nur, dass Hörgeräte was für alte Leute sind. Ich dachte auch, dass Hörakustiker alt sein müssten, also zumindest nicht so jung wie ich. Das ist irgendwie verrückt, wenn man drüber nachdenkt. Aber ich dachte wirklich, dass eine Arbeit für alte Leute auch von Älteren gemacht wird. Dabei ist es eher das Gegenteil. Bei uns im Betrieb sind die meisten zwischen 20 und 30.“

Hörakustiker werden: Was muss man mitbringen?

Bereut haben Tessa und Max den Berufswunsch Hörakustiker bislang jedenfalls nicht. (Dazu in den nächsten Artikeln mehr.) Jetzt wollte ich noch wissen, was aus ihrer Sicht die wichtigste Voraussetzung ist, um Hörakustiker*in zu werden.

Tessa findet, ein gewisses Interesse für Technik, Bio und solchen Sachen sei zwar auch wichtig, aber am wichtigsten sei es, aufgeschlossen zu sein: „Wem es schwer fällt, offen auf Menschen zuzugehen und mit ihnen zu sprechen, der hat ein Problem.“ Auch bei diesem Punkt antwortet Max ganz ähnlich: „Du musst dich in andere Menschen hineinversetzen können und Geduld haben, andere zu verstehen.“ Alles andere sei auch wichtig, aber leichter zu lernen.

Berufswunsch Hörakustiker*in mit Hörschädigung?

Abschließend noch ein Punkt, der unbedingt zum Thema Berufswunsch Hörakustiker*in gehört: Neulich hatte ich ein Interview mit Isa. Sie ist 15 und will auch Hörakustikerin werden. Und sie ist hochgradig hörgeschädigt. Isa hört seit frühester Kindheit mit zwei Cochlea-Implantaten (CI). Sie gehört also zu den jungen Leuten, die bei Hörakustikern ein und ausgehen. So kam sie zu ihrem Berufswunsch.

Problem ist jedoch, dass ein Berater in der Agentur für Arbeit Isa erklärt hat, dass so ein kommunikativer Beruf bei ihrer Behinderung nicht das richtige ist…

Der Berater hat keine Ahnung. Mir fallen auf Anhieb mehrere Hörakustiker*innen ein, die Hörgeräte oder auch Hörimplantate tragen.

Ich habe mich dann noch an der Quelle erkundigt, bei Sigrid Meier. Sie ist Dozentin an der Akademie für Hörakustik, der zentralen Ausbildungsstätte des deutschen Hörakustiker-Handwerks, über die ich in der Folge noch bloggen werde. Frau Meier sagt: „Auszubildende mit einem Hörverlust gehören bei uns mittlerweile zum Alltag, ob mit Hör-System oder CI.“ Seit Jahren gibt es in der Akademie sogar Meisterschüler*innen mit Cochlea-Implantat, mit Hörgeräten sowieso. Zum Zeitpunkt, als ich mich erkundigte, waren sechs Prozent der Azubis in Lübeck Azubis mit Hörverlust.

Wenn jemand schwerhörig ist und mit Hörtechnik hört, dann spricht das überhaupt nicht gegen den Berufswunsch Hörakustiker. Ganz im Gegenteil, man hat dann Erfahrungen, die bei der Betreuung schwerhöriger Menschen sehr hilfreich sein können – sogar Erfahrungen, die der beste Hörakustiker-Meister nicht hat, wenn er gut hört…

Illustration zu einem Beitrag über den Berufswunsch Hörakustiker*in auf die-hörgräte.de

PS 1: Wie die Hörakustiker-Ausbildung abläuft, was man lernt, was es mit der Akademie in Lübeck auf sich hat und was Auszubildende nach der Gesellenprüfung erwartet – all das sind Themen in den nachfolgenden Beiträgen unserer Ausbildungsserie.

PS 2: Unsere Bilder zum Beitrag über den Berufswunsch Hörakustiker zeigen Ohren, die der dänische Bildhauer Bertel Thorvaldsen gestaltet hat. Sie gehören zwei Kindern, einem Hirten und dem Dichter Lord Byron. Und ich hab sie alle im Thorvaldsens Museum in Kopenhagen fotografiert.

Exponat aus dem Thorvaldsens Museum in Kopenhagen (Ausschnitt)

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