Karriere als Hörakustiker? – Im dritten Teil unserer Artikel-Serie zum Thema „Hörakustiker werden“ hatten wir die Akademie für Hörakustik in Lübeck vorgestellt, im vierten ging es darum, was man an der Akademie lernt und wie es dort ist. Nun geht es darum, wie der Start in die Karriere als Hörakustiker bzw. Hörakustikerin aussieht.
Von lustigen Gesellen
In jedem Handwerksberuf ist man zuerst Auszubildender bzw. Lehrling. Wer genug gelernt hat, wird Geselle oder Gesellin, später vielleicht Meister oder Meisterin oder noch was anderes. Das Wort „Geselle“ ist viel älter als die Hörakustik, die ein junges Handwerk ist. Man denkt vielleicht an „lustiger Geselle“, „Geselligkeit“ oder „Gesellschaft“. Eigentlich war ein Geselle eine Art „Hausgenosse“, mit dem man unter einem Dach lebte. Man gehörte sozusagen zusammen, war „Teil eines Clubs“.
In so einen Handwerksclub kommt man natürlich nicht so leicht rein. Auch dieses Prinzip ist sehr alt. „Lehrling ist jedermann, Geselle ist, wer was kann, Meister ist, wer etwas ersann!“ Solche alten Sprüche gibt’s etliche. Wer Geselle sein will, muss zeigen, dass er was kann. Man muss Prüfungen bestehen, dann kommt man weiter. – Erinnert etwas an Wandergesellen im Märchen, ist aber immer noch so.
Gesellenprüfung
In der Akademie in Lübeck gibt es zweimal im Jahr eine zentrale Gesellenprüfung. Diese Prüfungen werden von der Bundesinnung der Hörakustiker (biha) durchgeführt, also dem obersten Zusammenschluss aller deutschen Hörakustiker*innen. (Dass die oberste Innung eine Gesellenprüfung selbst durchführt, ist verglichen mit anderen Handwerken eher eine Seltenheit.)
Was genau bei den Prüfungen verlangt wird, haben mir Tessa und Max (die Azubis von „Hörakustik Mustermann“) erklärt: „Man hat einen schriftlichen Teil, in dem die ganzen theoretischen Sachen aus der Schule abgefragt werden. Und dann gibt es einen praktischen Teil, in dem man Dinge machen muss, zum Beispiel ein Beratungsgespräch mit einem Hörgeräte-Kunden führen, Hörgeräte für diesen Kunden einstellen, einen Ohrabdruck nehmen oder auch ein Ohrstück fräsen.“
Zur Prüfung gehört, dass man durchfallen kann; sonst wäre es keine. Wenn man etwas vormachen muss, und alles auf den Punkt klappen soll, kann es ziemlich daneben gehen. Tessa und Max haben schon jetzt etwas Sorge, dass sie während der Prüfung beim Fräsen eines kleinen Ohrstücks abrutschen könnten oder sowas. Dann wären sie durchgefallen und müssten noch einmal zur Prüfung. In der Akademie sagte man mir aber, dass 99 Prozent derjenigen, die zur Gesellenprüfung antreten, auch bestehen.
Freisprechung und Pläne
Wer bestanden hat, bekommt den Gesellenbrief und gehört fortan dazu. Der Gesellenbrief wird bei einer Freisprechnungsfeier übergeben. Auch solche Freisprechungen sind uralt, die gab es schon im Mittelalter. Damals wurden die Lehrlinge von ihren Meistern losgesprochen und konnten dann als Gesellen davonziehen und ihr Glück suchen. Ganz so ist es beim Start in die Karriere als Hörakustiker nicht mehr, aber ein bisschen doch. Die Freisprechungsfeiern in der Akademie in Lübeck gehören zu den größten überhaupt.
Mit dem Gesellenbrief in der Tasche kann die Karriere als Hörakustiker beginnen. „Wenn ich die Prüfung fertig habe, möchte ich erstmal im Geschäft als Gesellin arbeiten“, so Tessa. „Aber irgendwann möchte ich dann schon noch Meisterin werden.“ Max geht es ähnlich: „Erstmal die Ausbildung fertig und als Geselle; später dann Meister werden und selbst ein Geschäft leiten.“
Karriere als Hörakustiker?
Die Chance, dass es mit den Plänen bei Max und Tessa klappt, ist groß. Gesellen und Meister werden in der Hörakustik überall gesucht, und es sieht nicht so aus, als würde sich das demnächst ändern. Hörakustik-Betriebe brauchen immer guten Nachwuchs – deshalb gibt es dort auch so viele Azubis. Und jedes Hörakustik-Geschäft in Deutschland muss einen Meister haben, das ist vorgeschrieben. Um Meister zu werden, muss man noch die Meisterschule besuchen. Davon gibt es in Deutschland mehrere. Wer sie besucht, geht entweder für ein ganzes Jahr hin oder man macht das neben dem eigentlichen Job.
Es gibt aber auch noch andere Möglichkeiten als Geselle und anschließend Meister zu werden. Man kann studieren – Bachelor oder Master. Oder man kann sich selbständig machen und ein eigenes Hörakustik-Unternehmen aufbauen, ein Geschäft betreiben oder auch mehrere.
Man kann auch einen Job in der Hörgeräte-Industrie suchen oder als Dozent arbeiten. Und man kann sich spezialisieren, zum Beispiel zum Pädakustiker, der sich besonders mit der Hörgeräte-Versorgung bei Kindern auskennt, oder zum CI-Akustiker, der sich mit Cochlea-Implantaten (CI) auskennt. Oder man wird noch Ingenieur und entwickelt später selbst Hörgeräte. Oder man kommt noch auf andere Ideen, die etwas mit dem zu tun haben, was Hörakustiker*innen können und machen… Die Zeit bleibt ja nicht stehen, und wer den Blog hier liest, der weiß, dass Ohren im Trend liegen. Es tut sich sicherlich noch einiges…
PS: Die Fotos zum Beitrag über die Karriere als Hörakustiker habe ich in der Akademie für Hörakustik in Lübeck aufgenommen. Zu sehen sind: ein Flur, die Cafeteria, ein Entwurf für zukünftiges Hörgeräte-Marketing, ein halbfertiges Ohrpassstück und ein Lichtpolymerisationsgerät.