Über Hörgeräte habe ich hier schon eine Menge geschrieben – zum Beispiel welche Arten es grundsätzlich gibt und wie teuer richtig gute Hörgeräte sein müssen. Und heute geht‘s um den Weg zum Hörgerät bzw. darum, wie man zu Hörgeräten kommt, wenn man welche braucht.
Hörgeräte aus dem Internet?
Wenn man im Internet sucht, gewinnt man mitunter den Eindruck, man könnte Hörgeräte auch online bekommen. Dieser Eindruck täuscht. Wer im Internet nach Hörgeräten sucht, findet natürlich jede Menge. Es gibt Seiten von Hörakustik-Fachgeschäften (kleinen Anbietern und großen Ketten), von Hörgeräte-Herstellern, von Verbänden, von Gemeinschaften, in denen sich kleinere Akustik-Betriebe zusammentun. Es gibt auf all diesen Seiten viel Information. Es gibt eine Menge Werbung.
Und es gibt Online-Anbieter, die zwar als solche keine Hörgeräte verkaufen (das darf man über das Internet gar nicht), die jedoch zu einem Hörakustiker vermitteln. Das Geschäftsmodell besteht hier also darin, online gut gefunden zu werden, über Hörgeräte zu informieren, dann an ein örtliches Fachgeschäft weiterzuleiten – und dafür an dessen Geschäft mit zu verdienen.
Wie gut oder schlecht das ist, mag ich hier nicht bewerten. Natürlich ist es gut, wenn Leute durch das Internet frühzeitig zum Hörgerät finden, wenn sie eins brauchen. (Das ist ja auch ein Anliegen dieses Blogs.) Mir ist nur wichtig: Information im bzw. Vermittlung über das Internet ändern nichts am Weg, der zum Hörgerät führt. Der ist nämlich (zumindest in Deutschland) aus gutem Grund geregelt. Und er sieht wie folgt aus:
Schritt 1: das Problem erkennen
Man merkt, wenn man nicht mehr gut hört? – Ich habe schon mehrfach geschrieben, dass das keinesfalls selbstverständlich ist. Wer schlechter hört, hört oft noch eine ganze Menge. Aber es ist wichtig, ein Hörproblem frühzeitig zu erkennen. Hilfreich ist, Grenzen im eigenen Hörvermögen wahrzunehmen. Auch Rückmeldungen von Partner*in, Familie und Freunden sollte man nicht einfach abtun. Wer sein Gehör mal selbst testen will, dem empfehle ich diesen Hörgräten-Blog-Artikel.
Schritt 2: den Hörtest machen
Gewissheit, ob man wirklich schlecht hört, bringt ein Hörtest vom Profi. Profis für Hörfragen sind Ohrenärzt*innen und Hörakustiker*innen. Hörtests bieten sie alle an. Aus eigener Erfahrung würde ich sagen: Es geht wesentlich schneller, mal im Hörakustik-Fachgeschäft vorbeizuschauen, als im Wartezimmer beim Ohrenarzt.
Außerdem kannst du dir beim Hörakustiker gleich überlegen, ob du dich gut aufgehoben fühlst. (Warum das so wichtig ist, hab ich in diesem Beitrag geschrieben.) Falls der Test ergibt, dass du tatsächlich Hörgeräte brauchst, kannst du dir anschließend immer noch einen Termin beim HNO-Arzt geben lassen – zumindest, wenn du dir zum ersten Mal Hörgeräte zulegst. Damit die Krankenkasse beim Kauf der Hörgeräte ihren Zuschuss gibt, brauchst du beim ersten Mal nämlich eine ohrenärztliche Verordnung.
Schritt 3: gutes Hörgerät finden
Niemand hört genauso wie ein anderer. Man hört weder gleich gut noch gleich schlecht – sondern immer anders. Deshalb braucht man Hörgeräte, die genau für einen passen. Es interessiert nicht nur, was diese Geräte leisten. Es ist auch wichtig, was man will. Klar will man hören und verstehen. Es geht aber auch darum, wie man lebt, in welchen Situationen man ist, welche Technik man nutzt, welche Wünsche man hat. Schließlich will man die Hörgeräte täglich viele Stunden am Ohr tragen. Du sollst diese Technik so intensiv nutzen, wie vermutlich keine andere Technik in deinem Alltag. Du willst dich mit ihr wohlfühlen. Und es ist auch die Frage, was die Hörgeräte kosten.
Grundsätzlich: Jeder große Hersteller hat heute gute Geräte in verschiedenen Preisklassen. Es hängt also sehr weit von einem selbst ab, was am besten passt. Und das ist selten die „Lösung von der Stange“. Vielmehr braucht man eine richtig gute Beratung in einem richtig guten Hörakustik-Fachgeschäft. Zu einer richtig guten Beratung gehört, dass man viele Fragen gestellt bekommt, die man beantworten soll. (Sonst kann das mit der guten Beratung nämlich gar nicht funktionieren…)
Schritt 4: Hörgerät passend machen
Dieser Punkt ist mir besonders wichtig, weil er oft unterschätzt wird: Weil beim Hören alles so individuell ist, ist auch ein Hörgerät immer nur so gut, wie es zu dir passt. Es muss angepasst werden. Das ist noch deutlich mehr Aufwand als zum Beispiel bei der Anpassung einer Brille. Und diese Anpassung kann nur ein Hörakustiker bzw. eine Hörakustikerin. Du kannst nämlich auch das beste Hörgerät so einstellen, dass es dir nichts bringt oder dein Gehör sogar weiter schädigt. Gutes Handwerk ist deshalb absolut entscheidend.
Der Hörakustiker berät dich erst. Und wenn ihr die Hörgeräte gefunden habt, die passen könnten, dann stellt er die für dein Gehör ein – so, wie es für dich passt. Häufig nimmt er außerdem noch Abdrücke von deinen Ohren. Daraus werden passende Ohr-Stücke gemacht, die später komfortabel sitzen. (Das ist viel komfortabler als bei jedem Funkkopfhörer.)
Es ist übrigens auch völlig ok, wenn du später noch mal ein anderes Hörgerät probierst. Häufig hilft das sehr dabei, sich zu entscheiden. Und du verpflichtest dich dadurch zu nichts. (Auch wenn ich hier von Hörgerät spreche, meine ich natürlich immer zwei. Es ist nämlich sehr selten, dass jemand tatsächlich nur eins braucht.)
Schritt 5: testen, testen, testen
Sind die Hörgeräte für dich eingestellt, bekommst du sie mit nach Hause. Meist hast du sie gleich am Ohr, wenn du das Geschäft wieder verlässt. Und mitunter – aber keinesfalls immer – ist das erstmal ganz schön fremd – insbesondere dann, wenn man schon längere Zeit nicht mehr gut gehört hat.
Es braucht ein bisschen Zeit und Geduld. Du solltest dir klar machen, dass eine Hörgeräte-Anpassung eine Sache ist, die Wochen und manchmal Monate dauert. Es ist nicht gleich alles perfekt. Und du musst selbst dafür sorgen, dass es perfekt wird:
Du solltest die Geräte in möglichst allen Situationen deines Alltags testen. Und du solltest dem Hörakustiker immer wieder sagen, was noch besser sein kann. Der Hörakustiker hat dank der Technik jede Menge Möglichkeiten, Dinge zu korrigieren. Ein guter Hörakustiker wird immer wollen, dass du am Ende richtig zufrieden bist. Du musst ihm dafür auch die Chance geben.
Dieses Nachstellen nennt man Feinanpassung. Es gehört einfach dazu. Man kommt zur Feinanpassung mehrfach (manchmal auch immer wieder) ins Fachgeschäft. Bei manchen Hörgeräten ist es schon möglich, dass man Feinanpassungen auch über App von seinem Hörakustiker ordern kann. Das spart dann ein bisschen Aufwand und Zeit.
Schritt 6: Schluss und kein Ende
Wenn du zufrieden bist, wenn alles gut eingestellt ist und alle Fragen geklärt sind, dann bist du sozusagen durch. Beim ersten Hörgerät muss man abschließend noch mal zum Ohrenarzt, der noch mal schaut, ob nun alles ok ist. Beim Papierkram mit der Krankenkasse hilft der Hörakustiker. Du bekommst deine Rechnung. Und du hast jetzt deine Hörgeräte.
Neue Hörgeräte bezuschusst die Kasse alle fünf bis sechs Jahre. Und weil sich die Technik extrem schnell entwickelt, lohnt es sich auf jeden Fall, nach dieser Zeit wieder neu zu probieren. Aber bis dahin müssen die Geräte halten. (Bei guter Pflege halten sie meist noch viel länger.)
Deinen Hörakustiker solltest du jedoch nicht erst in sechs Jahren wieder besuchen – sondern immer mal wieder. Er muss die Hörgeräte überprüfen, sie pflegen, vielleicht auch mal was auswechseln. Und er sollte auch dein Gehör hin und wieder prüfen. Das kann sich nämlich weiter verändern, und dann stimmt die Geräteeinstellung nicht mehr.
Du kannst dich auch sonst beraten lassen – Zum Beispiel darüber, wie du deine Hörgeräte mit dem Fernseher oder mit dem Handy koppelst. Das bringt nämlich noch eine Menge Vorteile.
PS: Die Bilder zum Beitrag über den Weg zum Hörgerät zeigen alle Wegweiser zu ganz unterschiedlichen Orten (die allesamt im Elbsandsteingebirge liegen).