Es soll noch Leute geben, die glauben, wenn sie Hörgeräte tragen, dann wären sie alt und doof – zumindest in den Augen anderer Leute. Solche Vorurteile finde ich doof – und sie können sogar riskant sein. – Über den Zusammenhang von Hören und Denken hatte ich bereits geschrieben, über den von Hören und Demenz auch. Studien aus den letzten Jahren zeigen, dass eine Demenz-Erkrankung deutlich früher eintritt und schneller voranschreitet, wenn man schlecht hört. Bleibt die Frage nach der Technik: Hörgeräte und Demenz? Inwieweit können Hörgeräte (oder sogar Hörimplantate) bei einer Demenz helfen?
Um Antwort zu bekommen, war die Hörgräte zur Recherche in die unendlichen Weiten des Internets, außerdem bei einer Pressekonferenz der Bundesinnung der Hörakustiker (biha) in der Bundespressekonferenz in Berlin (von der auch die Fotos sind).
Tests für Ohren-Fitness
Es gibt auch Studien über den Einfluss von Hörgeräten auf die geistige Fitness. Die laufen mehr oder weniger so ab, dass ältere Menschen mit nicht mehr so guten Ohren über mehrere Jahre regelmäßig getestet werden: Wie entwickelt sich ihre geistige Fitness? Wie gut können sie sich konzentrieren? Welche Sprache benutzten sie? Wie gut können sie sich Dinge merken? Auch ihre Fähigkeiten, sich zu orientieren oder praktische Arbeiten zu erledigen, werden untersucht. Und es wird unterschieden, ob diese Testpersonen Hörtechnik tragen oder nicht.
Die Thesen, die sich aus diesen Untersuchungen ergeben, waren u. a. Thema bei der Pressekonferenz, auf der ich Ende Januar (inkl. Hörgräte) war. Ich gehe hin und wieder zu Pressekonferenzen, manchmal muss ich im Job auch eine organisieren. Wichtig ist dann, dass es ein interessantes Thema gibt, das möglichst viele Journalist*innen interessiert, damit sie kommen und anschließend berichten. Sonst ist die PK ein Flop. Bei der Veranstaltung im Januar war der Raum gut gefüllt. Das spricht dafür, dass sich die Thesen – es sind insgesamt vier – weiterverbreiten.
Vier Thesen zur Hör-Wirkung
These 1: Wenn jemand, der schlecht hört, Hörgeräte trägt, dann bekommt er vom Leben viel mehr mit. Er versteht seine Mitmenschen besser, kann besser auf sie reagieren. Er findet sich im Alltag besser zurecht. Er lebt sicherer und hat mehr Lebensqualität. Es ist nicht so wahrscheinlich, dass er vereinsamt und depressiv wird.
These 2: Je früher man Hörgeräte bekommt, wenn man welche braucht, desto weniger Abstriche nimmt man beim Hören und Verstehen hin. Und man gewöhnt sich dann auch leichter daran, mit Technik zu hören. Das Gehirn muss sich nicht mehr so anstrengen, um das, was nicht verstanden wurde, auszugleichen. Es hat mehr freie Kapazität, die wieder anders genutzt werden kann.
These 3: Gutes Hören beugt Demenz vor. (Hatte ich schon ausführlich gebloggt.) Hören macht geistig fit. Beginn und Fortschreiten eines geistigen Verfalls werden verzögert.
These 4: Wenn man Hörgeräte trägt, kann das den geistigen Verfall ebenso verzögern.
Was Hörgeräte bewirken
Diese Thesen sind ein Ergebnis bisheriger Studien. Es spricht vieles dafür, dass das Risiko eines frühzeitigen geistigen Verfalls durch das Tragen von Hörtechnik wieder auf „normal“ sinkt. D. h. das Risiko ist dann wieder so hoch wie bei älteren Leuten, die noch gut hören können.
Ist ja auch einleuchtend: Mit Hörgeräten (oder auch Hörimplantaten) kommt wieder mehr in den Kopf. Man verliert nicht den Kontakt zu anderen und zur eigenen Sprache. Und Hörgeräte entlasten das Gehirn. Es muss weniger leisten; insbesondere in lauten Umgebungen kann es Stimmen, Klänge und Geräusche leichter verarbeiten, seine Aufmerksamkeit besser steuern und besser verstehen. Auch die Orientierung funktioniert wieder besser. Denn wenn das Gehirn die Informationen von beiden Ohren nutzen kann, dann kann es die Welt besser räumlich wahrnehmen.
Hörversorgung für Menschen mit Demenz
In der Pressekonferenz ging es auch darum, wie man Menschen, die bereits an Demenz erkrankt sind, gutes Hören ermöglicht. Auch wenn die Krankheit bereits da ist, kann Hören deren Fortschreiten verzögern. Es geht auch dann um Lebenszeit und Lebensqualität.
Empfohlen wurde, bei Menschen mit Demenz regelmäßig einen Hörtest zu machen. Auch sie sollten gegebenenfalls Hörgeräte bekommen und diese den ganzen Tag tragen. Und sie sollten über ihr Gehör die noch vorhandenen geistigen Fähigkeiten trainieren.
Für so ein Training eignen sich zum Beispiel auch Lieder. Im Beitrag über Hören und Gehirn hatten wir schon erwähnt, dass Musik andere Hirnregionen anspricht als Sprache. Es gibt ganze Liedersammlungen speziell für Menschen mit Demenz. Für viele von ihnen ist es gut, solche Lieder zu hören oder mitzusingen. Es verschafft ihnen z. B. Zugang zu ihren Erinnerungen.
Es kann jedoch ziemlich herausfordernd sein, Demente mit Hörgeräten zu versorgen und sicherzustellen, dass sie die auch immer tragen. Die Akademie für Hörakustik in Lübeck – die zentrale Ausbildungsstätte für das deutsche Hörakustik-Handwerk – bietet spezielle Kurse für die Hör-Versorgung von Menschen mit Demenz. Inzwischen gibt es bundesweit rund 3.000 Hörakustik-Betriebe, die sich darauf spezialisiert haben.
PS: Die Bilder zum Beitrag über Hörgeräte und Demenz stammen von der Pressekonferenz der Bundesinnung für Hörakustik (biha) am 31. Januar 2019 im Haus der Bundespressekonferenz.
4 Kommentare. Leave new
Klasse Bericht und super, dass diese Informationen in die Welt getragen werden. Vielen Dank für diesen Bericht und gerne unterstütze ich mit meiner Arbeit und meinem Engagement viele Hörakustiker seit 25 Jahren dabei öffentlichkeitswirksam und sympathisch ihren Kunden bestmögliche Hörlösungen zu demonstrieren und auch durch Aufklärung aus Interessenten Kunden zu generieren. Denn Hören macht das Leben schöner.
Danke vielmals. Freut mich, dass der Artikel gefällt.
Danke für diesen tollen Blog. Macht weiter so.
Nichts zu danken, gerne:-)