Männer mit Hörproblem sind ein Thema für sich. Denn im Schwachsein-können sind Männer oft extrem schwach. Wenn man sein Leben lang gelernt hat, ja keine Schwäche zu zeigen, ist es nicht einfach, eine Schwäche zu haben, die immer offensichtlicher wird. Wie soll Mann mit seinem Hörproblem umgehen, ohne dabei „sein Gesicht“ zu verlieren? Die Hörgräte nimmt sich dieser Frage mal an…
Von einsamen Cowboys
Kommt ein Mann zum Hörakustiker und sagt: „Guten Tag! Meine Frau schickt mich. Sie meint nämlich, dass ich was an den Ohren habe. Um es gleich vorwegzunehmen, das ist völliger Unsinn. Ich höre sehr gut. Da gibt es gar keine Zweifel. Und ich bin auch gar nicht deshalb hier, sondern nur wegen meiner Frau. Es wäre mir lieb, wenn wir ein für allemal klarstellen, dass mit meinem Gehör überhaupt nichts ist. Also, Hörgeräte brauche ich nicht. Was ich brauche ist, dass sie mich mit ihren Verdächtigungen in Ruhe lässt.“
Begebenheiten wie diese habe ich von Hörakustiker*innen immer wieder erzählt bekommen. Und ich will gar nicht ausschließen, dass auch Frauen ins Hörakustik-Fachgeschäft kommen und sagen, ihr Mann hätte sie geschickt… Aber erzählt bekam ich so was ehrlich gesagt bisher immer nur über Männer. Neulich hab ich sogar von einem gehört, der dem Akustiker Fußballkarten spendieren wollte – dafür, dass der Akustiker ihm Schwarz auf Weiß gibt, dass sein Hörproblem kein Hörproblem ist.
Klar, wenn man was über Männer an sich schreibt, geht es immer um ein Stereotyp: Cowboy, Superman, einsamer Wolf… Jungen weinen nicht. Männer dürfen nie schwach sein. Die müssen ordentlich was wegstecken können. Und deshalb kommen sie auch nicht mit jedem Wehwehchen. (Womit jetzt nicht diese Erkältungen gemeint sind, unter denen Männer grundsätzlich mehr leiden als Frauen.) Und deshalb brauchen Männer auch nicht gleich so ein Ding am Ohr. Nur weil man ein paar Mal nicht sofort reagiert hat, wenn zu Hause jemand was wollte. Oder weil man den Fernseher halt generell einen Tick lauter mag, schon weil die Tatort-Kommissare heute immer nuscheln…
Von soften Männern und alten Mustern
Heute dürfen Männer natürlich auch soft sein und Gefühle zeigen. Das hört und liest man ja überall – etwa in Frauenzeitschriften und in der Werbung… Schaust du allerdings zweimal hin, siehst du, dass die alten Muster, nach denen Mann sich verhalten muss, keineswegs abgehakt sind…
Neue Männer? Wenn du im Internet nach ihnen suchst, findest du reihenweise Bücher, Coachings, Tipps, die dir vermitteln wollen, wie du als so ein neuer, zeitgemäßer Mann sein sollst. Als Blogger, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, smart und gelassen über das Hören mit und ohne Technik zu schreiben, habe ich keine Lust, über das, was ich da gefunden habe, ernsthaft nachzudenken. Es erscheint mir nämlich weder smart noch gelassen. Smart und gelassen wäre, nicht zu sein, wie man jetzt sein soll, sondern einfach nur der Mann zu sein, der man ist. Auch das hört und liest man ja immer – zum Beispiel in der Werbung. Aber so einfach läuft das natürlich nicht.
Wir greifen uns mal so einen Mann raus, um das zu belegen: Attraktiv, durchtrainiert, ganze 1,99 groß, erfolgreich, Profi-Fußballer, Weltmeister, Held. Vielmehr Mann geht ja eigentlich gar nicht mehr.
„Es ist das erste Mal, dass ich darüber spreche.“ – „Ich wollte das nicht dramatisieren.“ – „Andererseits habe ich schon als Kind alles mit mir ausgemacht.“ – Als Per Mertesacker vor einigen Monaten, kurz vor seinem Karriere-Ende ein Interview gab, in dem er seine Jahre lange „Scheiß-Angst“ gestand, den Mut aufbrachte, vom eigenen permanenten psychischen und körperlichen Ausnahmezustand zu reden, von zitternden Gliedern vor dem Einschlafen, vom Brechreiz vor jedem Spiel…, war das Unverständnis groß. Ein Mann, noch dazu so einer, der so viel Kohle verdient hat, soll sich doch bitte nicht so…
Jetzt gleich die 8 Coolness-Tipps
Auf keinen Fall Schwäche zeigen… – Das sitzt in Männern viel tiefer drin, als mitunter getan wird. Und es ist immer da. Zum Beispiel, wenn man feststellt, dass das eigene Gehör schwächer wird. Und dann versucht Mann es so wie immer – dramatisiert nicht, spricht nicht darüber, macht das mit sich allein aus – und gerät in eine Geschichte, die sich weiter dreht und ziemlich übel enden kann. – Daher hier unsere 8 heißen Tipps für coole Männer:
- Wenn jemand, der dich gut kennt, sagt, dass du häufiger schlecht hörst, dann spricht einiges dafür, dass du schlecht hörst. Natürlich kannst du dann immer noch entscheiden, dass das Quatsch ist. Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, dass du dann weiter schlecht hörst.
- Ein Hörproblem ist kein Schnupfen. Man kann ihn nicht einfach ausschwitzen. Es hilft kein Kaffee. Es gibt keine Pillen. Es hilft nicht, wieder mehr Sport zu treiben und mal ein paar Tage durchzuatmen. Man kann zwar eine Zeit lang so tun, als wäre das Hörproblem nicht da. In dieser Zeit wird es aber wachsen. Und du wirst mit ihm immer häufiger ziemlich blöd aussehen.
- Denn du kannst zwar versuchen, weiter cool rüber zu kommen. Aber dein Hörproblem wird dir das ziemlich schwer machen. Man kommt nicht mehr cool rüber, wenn man ständig nachfragen muss, um zu wissen, was läuft. Nicht mehr zu wissen, was läuft, kommt auch nicht cool rüber. So ein Hörproblem kann einen also schon ziemlich durcheinanderbringen. Man wird mit der Zeit richtig unsicher.
- Smart und gelassen ist hingegen, wenn man das Hörproblem nicht einfach so hinnimmt oder sogar noch wachsen lässt. Um das Hörproblem richtig zu nehmen, kann es helfen, sich ein paar Dinge klar zu machen.
- Zuerst solltest du dir klar machen, dass ein Hörproblem absolut normal ist – auch bei Männern. Du bist nicht krank. Du bist vielleicht nicht mehr jung, aber auch nicht uralt. Jedes Gehör nutzt sich über die Jahre ab – so wie sich alles über die Jahre abnutzt. Es ist normal. Du hast ein Handicap, und für das gibt es Lösungen.
- Dann solltest du dir klar machen: Du wirst das Handicap behalten, wenn du nicht nach einer Lösung suchst. Ohne eine solche Lösung kannst du tatsächlich krank werden – und wie uralt sein.
- Solltest du dir auch noch klar machen, dass neue Hörgeräte ziemlich coole Dinger Die sind nämlich auch smart. Und wenn einer deiner Kumpels jemals einen dummen Spruch raus hauen sollte, weil du solche Teile trägst, dann wirst du das mit einem müden Lächeln quittieren und ihm bei Gelegenheit genüsslich ausbreiten, was er mit seinem Smartphone alles nicht kann, weil er keine smarten Hörgeräte hat.
- Wenn du dir all das klar gemacht und dich vielleicht noch ein bisschen in diesem Blog umgeschaut hast, dann bist du bestens gerüstet für den Erstbesuch im Hörakustik-Fachgeschäft deiner Wahl. Dort machst du einen Hörtest, lässt dich gut beraten und probierst in den Wochen danach ganz gelassen smarte Hörgeräte aus. Und du lässt dir die Geräte so gut einstellen, dass sich dein Hörproblem erledigt hat.
Soweit unsere Coolness-Tipps. Im nächsten Beitrag erzähle ich mal was von Männern, die es genauso gemacht haben.
PS 1: Der hier zitierte Artikel „Per Mertesacker – ‚Am liebsten sitze ich auf der Bank, noch lieber auf der Tribüne‘“ von Antje Windmann ist am 10. März 2018 auf Spiegel-Online erschienen.
PS 2: Die Fotos in diesem Beitrag zeigen lauter coole Männer – von einem Trödel-Tisch auf dem Camden Market in London, von einem Laden für Soundtechnik in Antwerpen, vom Waterlooplein-Flohmarkt in Amsterdam und von einer Müllhalde unter einer Brücke in Berlin-Rummelsburg; außerdem noch einen Starke-Männer-Bastelbogen (aus dem man sich einen starken Hampelmann bauen kann).