In zwei vorherigen Artikeln habe ich die beiden wichtigsten Hörgerätearten – Hinter-dem-Ohr- und Im-Ohr-Hörgerät – vorgestellt, außerdem eine Reihe spezieller Hörgerätearten. In diesem dritten Beitrag geht es nun um Hörgeräte, die genau genommen gar keine sind. Der große Unterschied zu den eigentlichen Hörgeräten ist, dass operiert werden muss. Man kann sich diese Technik nicht einfach ins Ohr stecken. Sondern man muss vorher in eine spezielle Klinik, in der mehr oder weniger viel Technik in den Kopf operiert wird. Man spricht deshalb von Hörimplantaten bzw. von implantierbaren Hörlösungen.
Knochenverankertes Hörgerät
Wir hatten schon das Knochenleitungshörgerät vorgestellt, das den Schall mit Vibrationen über den Knochen leitet – weil die Weiterleitung über die Luft bzw. durch den Gehörgang nicht funktioniert. Ein Schallwandler wandelt den Schall in Vibrationen um. Man trägt eine Brille mit engen Bügeln, ein eng anliegendes Stirnband oder etwas, was wie ein Sport-Headset aussieht und eng anliegt. Über diese Dinge werden die Schall-Vibrationen an den Schädelknochen abgegeben – und kommen so ins Innenohr.
Bei den Knochenleitungshörgeräten gibt es aber einen begrenzenden Faktor: Die Kopfhaut, durch die die Vibrationen bis zum Knochen müssen. Haut leitet Schall nicht so gut wie Knochen, deshalb braucht man immer den Druck auf den Kopf.
Bei Knochenverankerten Hörgeräten fällt das mit dem Druck auf die Haut weg. Dafür wird etwas in den Schädelknochen operiert. Entweder es gibt einen kleinen Anker aus Titan, der dann zum Teil auf der Kopfhaut sitzt (sieht so ein bisschen wie eine kleine Schraube aus, die dann auf Höhe des Ohres am Hinterkopf rausguckt). Oder man bekommt an der gleichen Stelle einen kleinen, flachen Magneten in den Knochen, den man später unter der Kopfhaut noch leicht ertasten kann. Ist alles abgeheilt, wird der Schallwandler (bzw. Prozessor) entweder auf den Anker gesetzt, wo er fest einschnappt; oder der Wandler hat ebenfalls einen Magneten, und der wird dann auf den Magneten unter der Kopfhaut gesetzt.
Wie auch immer; am Ende hat man ein kleines Technik-Kästchen am Hinterkopf, das sicher hält und sich einfach abnehmen lässt. Auch diese Technik kann man heute übrigens smart mit dem Mobilgerät verbinden, über App steuern usw.
Mittelohrimplantat
Hier geht es natürlich um das Mittelohr – also um die drei kleinen Gehörknöchelchen, die in einer Höhle hinter dem Trommelfell sitzen, die Schallschwingungen vom Trommelfell aufnehmen und in einer Art Kettenreaktion in Richtung Innenohr übertragen.
Braucht man ein Mittelohrimplantat, dann stimmt mit diesen Knöchelchen etwas nicht. Es kann sein, dass sie einfach kaputt oder gar nicht vorhanden sind. Bei der Operation werden dann künstliche Gehörknöchelchen aus Titan oder Keramik eingesetzt, mit denen die Schallübertragung wieder funktioniert. – Die Gehörknöchelchen sind die kleinsten Knochen, die wir haben. Der aller kleinste, der Steigbügel, wiegt gerade mal ein 400-stel von einem Gramm. Entsprechend klein sind natürlich auch die künstlichen Knöchelchen, die hier eingesetzt werden.
Neben diesen Implantaten, die eigentlich nur kleine Ersatzteile im Mittelohr sind, gibt es auch Mittelohrimplantate, die selbst etwas machen. Man nennt sie deshalb aktive Mittelohrimplantate (und die „Ersatzteil-Implantate“ entsprechend passive Mittelohrimplantate).
Bei den aktiven Mittelohrimplantaten gibt es ebenfalls Technik, die Schall in Vibrationen umwandelt – über mehrere Stufen: außen am Kopf sitzt ein kleines Technikkästchen (Schallwandler bzw. Prozessor), das über einen Magneten gehalten wird. Unter der Kopfhaut sitzt ein kleines, flaches Implantat – ebenfalls mit einem Magneten. Der Prozessor außen nimmt den Schall auf, verarbeitet ihn zu elektrischen Signalen und sendet diese an das Implantat unter der Kopfhaut. Vom Implantat kommen die elektrischen Signale über eine kleine Leitung bis ins Mittelohr zu den drei Gehörknöchelchen. Und es gibt dort noch mal eine Technik. Die wandelt die elektrischen Signale nun in Vibrationen um. Alles ist so zusammengesetzt, dass die Vibrationen die Gehörknöchelchen antreiben. Deren Bewegungen gehen dann ans Innenohr – wie bei einem intakten Gehör.
Inzwischen gibt es sogar aktive Mittelohrimplantate, bei denen die Technik komplett unter der Kopfhaut sitzt. Von außen sieht man nichts mehr. Nur der Akku muss regelmäßig von außen aufgeladen werden; die Energie geht dann einfach durch die Haut.
Cochlea-Implantat (CI)
Wenn das Innenohr den Schall nicht mehr verarbeiten kann, und wenn auch ein Hörgerät nicht mehr ausreichend helfen kann, dann ist das Cochlea-Implantat (CI) möglicher Weise die Lösung. Das Cochlea-Implantat ist mit Abstand das am häufigsten eingesetzte Hör-Implantat. Deshalb habe ich bereits in zwei Artikel beschrieben, was ein CI ist bzw. wie es funktioniert und wie man sich das Hören mit einem CI vorstellen kann.
Wenn man sich mit Cochlea-Implantaten nicht auskennt, hält man sie wahrscheinlich einfach für Hörgeräte. Es fällt dann höchstens auf, dass an dem Hörgerät noch ein Kabel ist, das zur Seite wegführt. Und an dem Kabel ist ein rundes Ding, das irgendwie hinten am Kopf hält. Das Entscheidende beim CI ist aber: der Schall wird nicht – wie beim Hörgerät – verstärkt in Richtung Innenohr geschickt; sondern er wird erst digitalisiert und dann in elektrische Impulse verwandelt. Im Innenohr kommen sozusagen winzige Stromstöße an. Und unser Gehirn schafft es irgendwie, daraus einen Höreindruck herzustellen.
Klingt das jetzt sehr kompliziert? Dann ließ einfach den ausführlichen Beitrag über das CI. Da wird es genau erklärt.
Hirnstamm-Implantat (ABI)
Ein Hirnstamm-Implantat (oder kurz ABI für die englische Bezeichnung Auditory Brainstem Implant) funktioniert im Prinzip wie ein Cochlea-Implantat. Es ist auch genauso aufgebaut wie ein CI. – Auch hier wird der Schall von einem Prozessor aufgenommen, digitalisiert an das Implantat unter der Kopfhaut weitergegeben und dort in elektrische Impulse umgewandelt. Doch werden diese Impulse dann nicht ins Innenohr bzw. in die Hörschnecke geschickt – sondern zum Hirnstamm.
Verwendet wird das ABI bei Erwachsenen, bei denen der Hörnerv – also die Verbindung von der Hörschnecke zum Gehirn – beeinträchtigt ist. Diese Beeinträchtigung kann eine Folge bestimmter Tumor-Erkrankungen sein. Es gibt inzwischen aber noch andere Gründe, warum ein ABI verwendet wird.
PS: Für den Beitrag über Hörimplantate, vor deren Verwendung operiert werden muss, habe ich mir Bilder von Dingen rausgesucht, die man hören kann – mit oder auch ohne Technik. Du siehst hier alte Klingeln, die Außenhaut einer großen Kichenglocke aus Herrenberg, eine alte Bus-Hupe aus dem sächsischen Königstein, einen kleinen Trommler vom Karnevalsbrunnen in Köln und die Hörgräte beim Belauschen der Schaufensterauslage eines Hör-Cafés auf der IFA in Berlin. Auf Abbildungen von aktueller Hörtechnik verzichte ich auch hier. Im Internet gibt es aber zahlreiche Bilder zu knochenverankerten Hörgeräten, Mittelohrimplantaten, Cochlea-Implantaten und Hirnstamm-Implantaten.
4 Kommentare. Leave new
Danke für diesen tollen Blog. Macht weiter so.
Und danke für die tolle Rückmeldung. Machen wir.
Ich persönlich würde mir nie ein Hörgerät in den Knochen implantieren lassen. Durch einen Vorfall bin ich die nächste Zeit auf ein Hörgerät angewiesen. Am besten besuche ich dafür noch ein gutes Fachgeschäft für Hörgeräte.
https://www.krefft-hoersysteme.de/
Hallo Jan,
das Hörgerät wird ja auch gar nicht in den Knochen implantiert. Und wie im Artikel steht: Knochenverankerte Hörgeräte helfen Menschen, denen konventionelle Hörgeräte (mit Schallleitung über den Gehörgang / die Luft) nicht mehr helfen können. Insofern kann ich – im Sinne der Menschen, denen solche Lösungen eine große Hilfe sein können – nur hoffen, dass das gute Hörakustik-Fachgeschäft, für das du hier wirbst, im Fall der Fälle auch solche Lösungen empfiehlt.
Gruß Martin