„Du hörst nie zu, wenn ich mit dir rede.“ – „Du erzählst ja auch immer so viel.“ – „Hast du gehört, was ich dich gerade gefragt habe?“ – „Hm…“ – Das Frauen und Männer gelegentlich aneinander vorbeireden, kennt vermutlich jeder. Aber hören sie auch aneinander vorbei bzw. hören sie unterschiedlich gut? Und: Hören Frauen besser??? – Genau auf diese Feststellung stieß ich – und wollte ihr mal nachgehen. Also hat sich die Hörgräte aufgemacht und was zu weiblichen und männlichen Ohren zusammengetragen…
Erst einmal vorweg: Es gibt Klischees und es gibt Gründe dafür, warum Klischees entstehen. Klar ticken Frauen anders als Männer. Die Welt wäre armselig, wenn es nicht so wäre. Ohne Missverständnisse keine Chance auf Verständnis. Ohne gewisse Unterschiede nix als gähnende Langeweile… – Dass Männer und Frauen sich mitunter nicht bzw. nicht so wirklich verstehen, hat mit Sicherheit nicht nur mit den Ohren zu tun. Sondern je nachdem z. B. auch mit anderen Interessenslagen, mit Gleichgültigkeit, Müdigkeit, Überdruss… Der Satz „Ich kann dich nicht mehr hören!“ hat ja mehrere Bedeutungen. (So wie „Ich kann dich nicht mehr sehen/riechen/spüren…“.) Es soll Männer mit Hörschädigung geben, die das Tragen von Hörgeräten ablehnen, weil sie „lieber ihre Ruhe“ haben. Wahrscheinlich gibt es auch Frauen, denen es so geht. Ob Hörschädigung ihre Ursache in einer Art Beziehungsüberdruss haben kann, führt hier zu weit. Uns interessiert nur: Hören Frauen besser als Männer?
Weibliche Hormone und männlicher Lärm
Tatsächlich gibt es Untersuchungen, die zu dem Ergebnis kommen, dass Frauen gesprochene Worte besser erfassen können als Männer. Hörforscher haben festgestellt, dass Frauen vor allem Signale in einer bestimmten Höhe besser wahrnehmen können, und zwar im Frequenzbereich um 1.000 Hertz. Das ist genau der Bereich, der für das Spracheverstehen wichtig ist. (Dazu noch mehr an anderer Stelle.)
Außerdem – so die Forscher – verschlechtert sich das Hörvermögen bei Männern auch früher als bei Frauen. Grundsätzlich ist es absolut normal, dass ein Gehör im Laufe eines Lebens nachlässt. Doch laut dieser Studie setzt das bei Männern deutlich früher ein als bei Frauen. Erst in höherem Alter verringert sich der Unterschied; die Frauen hören dann wieder ebenso gut (bzw. schlecht) wie die Männer.
Wie sich zwischenzeitliche Hörunterschied ergibt? Begründet wird das zum einen mit der Wirkung weiblicher Hormone, die weibliche Ohren über viele Jahre schützen. Eine Erklärung könnte aber auch das männliche Verhältnis zu Lärm liefern. Schließlich – so die Forscher – haben Männer im Durchschnitt lautere Jobs als Frauen, sie pflegen lautere Hobbys, hören lautere Musik, leben einfach noch lauter…
Weibliche Stimmen und männliche Hirne
Also stimmt es? Hören Frauen besser als Männer? – Eine zweite Studien kam zu einem etwas anderen Ergebnis. Sie untersuchte die Wirkung weiblicher Schallwellen auf männliche Hirne. Die Stimmen von Frauen seien höher und musikalischer. Somit sind die akustischen Wellen, die Frauen von sich geben, viel vielfältiger als die Männer-Wellen. Und das sei für die Männer ein Problem. Männliche Gehirne könnten die weiblichen Wellen nämlich viel schwerer entschlüsseln als umgekehrt. Beim Entschlüsseln müssten sich die Männer sehr konzentrieren und die Aktivität ihrer Hirne hoch schrauben. Das sei anstrengend und führe nach gewisser Zeit zu Ermüdung.
Unterm Strich spricht also auch diese Studie dafür, dass Männer beim Hören hinterherhinken. Doch die Natur ist nicht so simpel, dass eine einzige Studie sie erfassen könnte – nicht mal, wenn es um männliche Ohren geht. Man muss nur lange genug suchen, und dann finden sich andere Studien, in denen Männer die Nase bzw. ihre Ohren vorn haben. Das betrifft zum Beispiel das räumliche Hören.
Männer, Frauen und Cocktailpartys
Weißt du, was ein Cocktailparty-Effekt ist? Wenn man sich mit Hören und Hörtechnik beschäftig, kommt man an diesem Begriff nicht vorbei. Der Effekt steht für eine Art Meisterleistung des menschlichen Gehörs – eine, die sich bislang nur eingeschränkt mit Technik nachbilden lässt.
Nun mag nicht jeder Cocktailpartys… Aber stell dir vor, du stehst auf einer rum, in einem hellen, hohen Raum mit hundert anderen Leuten, irgendwo von der Decke kommt Musik und alle anderen um dich her reden, quasseln, schnattern irgendwelches Zeug durcheinander und halten sich dabei an ihren Cocktailgläsern fest…
Wenn dein Gehör noch fit ist, dann kannst du dich jetzt konzentrieren – und aus diesem Cocktail aus Musik, Geräusch und Gespräch genau die Stimmen heraushören, die dich interessieren. Und wenn diese Stimmen dich nicht mehr interessieren, kannst du in ein anderes Gespräch switchen und das vorherige ausblenden. Du kannst aus einem Wust aus Stimmen und Klängen das herausfiltern, was du hören willst. Alles andere blendest du aus. Genau diese Fähigkeit beim räumlichen Hören heißt Cocktailparty-Effekt.
Und jetzt kommt‘s: Forscher haben ermittelt, dass Männer beim Cocktailparty-Effekt deutlich besser abschneiden als Frauen. Denn Männer sind besser im Ausblenden. Sie können daher aus einer Fülle von Geräuschen besser heraushören, woher ein bestimmter Ton kommt. Mitunter meinen Frauen ja, Männer hätten Klappen im Ohr, die sie nach Lust und Laune auf oder zu machen. (Man könnte auch sagen, Männer verstehen dann nur Bahnhof.) Ganz falsch scheint das nach dieser Studie nicht zu sein.
Vom Besser-Bären-hören
Die Erklärung der Forscher? Die führt in die Steinzeit, sozusagen in die Geburtsstunde der Geschlechterrollen. Alles soll damit begonnen haben, dass die Männer die Frauen nicht mehr mit zur Jagd genommen haben. Oder die Frauen hatten einfach keine Lust mehr mitzugehen; das weiß man natürlich nicht genau. Jedenfalls gingen die Frauen nicht mehr mit, sondern kümmerten sich um die Kinder, sammelten Pilze und Beeren und sowas. Und das soll Folgen gehabt haben, denn die Frauen waren dann nicht mehr in der Lage, sich aus eigener Kraft mit den erforderlichen tierischen Proteinen zu versorgen. Sie wurden abhängig von den tierischen Proteinen, die die Männer ihnen abgaben. Während die Männer immer bessere Jäger wurden, weil sie jeden Tag loszogen und den Cocktailparty-Effekt übten. Wenn sie irgendwo im Wald hockten, mussten sie natürlich hören können, von wo der Bär kommt.
Apropos Bär: Männer – so eine Studie – sollen anhand einer Stimme auch viel besser erkennen können, wie groß ein Sprecher ist. Das soll bei Männern besonders gut funktionieren, wenn diese Stimme tief ist. Und man vermutet, dass auch das in der Steinzeit und danach für Männer überlebenswichtig war. Schließlich mussten sie abschätzen können, ob der mit der tiefen Stimme gefährlich ist – auch wenn man den mal nicht sehen konnte. Frauen hingegen sollen sich mit Tonlagen besser auskennen – und anhand einer Stimme die Attraktivität des Sprechers besser erfassen können.
Soweit die Studien. Und wer hört nun tatsächlich besser? Hören Frauen besser als Männer? Oder sind es doch die Männer, die besser hören können – also vielleicht nicht Frauen, aber zumindest Bären??? – Vielleicht kann man sich darauf einigen, dass keiner grundsätzlich besser hört – und dafür jeder etwas anders. Um einander besser zu verstehen, ist es vermutlich schon ganz hilfreich, wenn du dir die Unterschiede beim Hören bewusst machst.
PS: Die Fotos zeigen diesmal: einen Mann und eine Frau vom Vordach der Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen, Männer und Frauen, die gerne Radio hören, bunte Signalanlagen aus dem Berliner Kommunikationsmuseum, eine Art Installation, die ich in Berlin-Friedrichshain fotografiert haben, und zwei kommunizierende Tonfiguren, die ein Mann und eine Frau sein könnten. (Ohne dass ich sagen könnte, welche der Mann und welche die Frau ist.)
Zweites PS: Die hier zitierten Studien stammen aus den USA, aus Italien, von der Fachhochschule Aalen und von der Universität Tübingen.
2 Kommentare. Leave new
Sehr interessant! Leider kenne ich diesen Cocktailparty-Effekt sehr gut. In solchen Situationen ist mein Hörgerät, mein bester Freund. Aber nicht immer klappt es ohne peinlichen Nachfragen!
Vielen Dank! Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Auch wenn ich (wahrscheinlich) noch kein Hörgerät brauche, kommen meine Ohren beim Filtern in solchen anspruchsvollen Hörsituationen mitunter an Grenzen. Da hätte man mit Gebärdensprache bestimmt einen Verständigungsvorteil?